„Wir wissen selbst nicht, in welchem Land wir leben. Keiner weiß das.“ 180 Ziegen bewacht Anatoli auf einem alten Industriegelände, das aussieht, als ob eine russische Rakete schon vor langer Zeit eingeschlagen hat. Wir treffen ihn auf dem Weg nach Varniţa, dem letzten Dorf vor der Grenze. Die Situation ist kompliziert. Zuvor gilt es eine Exklave der Pridnestrowischen Moldauischen Republik, kurz Transnistrien, zu durchqueren, den Mikro-Rayon Nord-Bender.
Der Fluchtbericht stammt nicht von den abgebildeten Personen.
Galina und Jegor
Wir wohnten gleich am Meer, wo die Schiffe stehen. Wir haben Sehnsucht nach dem Meer. Am 24 2. sind wir losgefahren, am 25.2. angekommen. An der Grenze haben wir lange gestanden. Schon vor dem Krieg haben wir auf gepackten Koffern gesessen mit den wichtigsten Sachen. Es gab viele Gespräche, ob es Krieg gibt, das hatte eine fast hypnotische Wirkung, aber trotzdem haben wir nicht daran geglaubt. Unsere Tochter war damals im 6. Monat schwanger und wir sind alle auf die Datscha gefahren, aber es kamen auch dort Raketen und wir sind gleich weiter über die Grenze zu Moldawien nach Palanca gefahren. In Ştefan Vodă saßen wir in einem Café, müde, und wussten nicht wohin. Uns wurde im Café ein Haus in Volintiri angeboten, einfach so. Uns war kalt, es war Februar, mein Enkelsohn hatte große Angst und schon eine Woche nicht mehr gesprochen. Wir sind geblieben. Später ist meine Tochter mit Ihrer Familie weitern nach Westeuropa gefahren. Ihr Sohn ist in Deutschland geboren.
Etwa die Hälfte der Einwohner von Otaci besteht aus der ethnischen Gruppe der Roma. Deutlich wird das Stadtbild von ihren imposanten Villen geprägt. Viele der mehretagigen Baukörper befinden sich im Rohbau und dienen vor allem als Tragkonstruktion der prachtvollen Metalldächer, die strahlen, wie von orthodoxen Kirchen.
Stippvisite im ukrainischen Mohyliv Podilskyj. Die Passkontrolle gründlich. Die vielen russischen Visa im Pass erregen Misstrauen. Fragen und Telefonate, weitere Beamten werden dazu gerufen, meine Homepage gescannt. Dann das befreiende Nicken: „Passieren. Der Sieg ist unser!“
Wir dachten nicht, solange in Moldau bleiben zu müssen. Im Sommer wohnten wir im verlassenen Elternhaus meines Schwiegersohns. Nun wird es Winter. Der Ofen ist kaputt und überall Mäuse. In Dnipro haben wir eine Drei-Zimmer-Wohnung in einem Block, die Schränke voll mit warmer Kleidung. Meine Tochter und ihr Mann sind dort geblieben, sonst wird ihnen gekündigt. Sie müssen Geld verdienen.
Aus der Klosterkirche klingen hohe Frauenstimmen, als wir um ein Nachtlager bitten.
Der Schlafsaal mit elf Betten, in dem vor kurzen noch ukrainische Kriegsflüchtlinge untergebracht waren, wird unsere Bleibe für die kommenden Tage. Ein Klavier ist neben den Betten das einzige Möbel.
Der Fluchtbericht stammt nicht von den abgebildeten Personen.
Alexandra B. aus Cherson
Ich wurde an einem Checkpoint angehalten. Zwei Russen und ein Tschetschene haben mich aus dem Bus geholt. Auf meinem Handy waren ukrainische Symbole. Sie sagten, dass ukrainische Symbole verboten sind und dass wir ihre Untertanen sind und dass sie mich 15 Jahre ins Gefängnis stecken.
Der blaue Punkt BLUE DOT zeigt Hilfe an. Hilfe und Hoffnung.
Dumitru ist einer der Helfer, die 24 Stunden, 7 Tage die Woche auf Flüchtlinge wartend das Unicef-Büro offenhalten. Ein Spielzimmer ist eingerichtet, eine Ecke zur psychologischen Betreuung und ein Entspannungsraum, wo sich An-kommende einige Stunden erholen können, auf Klappbetten zwischen Palmenparavanen.
Moldau, Georgien, Armenien, Ukraine. Reisen in die Gegenwart.
Von August bis Oktober 2021 unternahm ich eine erste von zwei geplanten Reisen auf den Spuren Alexander von Humboldts von St. Petersburg bis ins sibirische Tobolsk.
Der Reiseverlauf wurde in dem Blog Kosmos Russland. Auf Alexander von Humboldts eurasischer Reiseroute durch den Ural beschrieben: www.kosmos-russland.de